Tierheimreise 12./13.08.


Am 12. August 09 flog ich mit 2 großen Transportboxen und einem mit Hundefutter gefüllten Koffer nach Spanien/Alicante zu Angeles. Ziel der kurzen Reise (die aufgrund beschränkter Urlaubstage, Flugpreisen und fehlender Plätze im Frachtraum nur so kurz ausfiel) war es, 2 adoptierte Hunde (Nevado und Luna) nach München zu bringen, Angeles kennen zu lernen und natürlich die Situation vor Ort einmal selbst zu sehen.

 


 

Beschreibung Tierheim

Nachdem Angeles mich am Flughafen Alicante abholte, hatten wir auf der über eine Stunde dauernden Autofahrt zum Tierheim ausreichend Zeit, uns näher kennen zu lernen. Der bisherige Kontakt verlief ausschließlich über E-Mail. Mit einer Mischung aus Deutsch, Englisch, Spanisch sowie Händen und Füßen verständigten und verstanden wir uns.

Das Tierheim selbst liegt am Stadtrand von Murcia in der Nähe eines Industriegebiets auf einer sandigen, steinigen Fläche. Es ist mit einem hohen Zaun nach außen hin abgegrenzt, nicht überdacht und innerhalb des Geländes in verschiedene Bereiche aufgeteilt (siehe Skizze):

 


In dem Tierheim befinden sich knapp 100 Hunde. Wenn man die Hunde in Angeles Finca (meist kleinere Hunde bzw. Welpen) noch dazu zählt, kommt man auf deutlich mehr. Die Massenzwinger sind mit provisorischen Planen überspannt, um den Tieren bei Regen oder den aktuell sehr heißen Temperaturen wenigstens einen gewissen Schutz bieten zu können. Ein Sturm hatte diese Planen in der Nacht vor meinem Besuch jedoch herunter gerissen, was die Hunde wiederum als willkommene Gelegenheit zum Spielen nutzten und die Planen dabei zerfetzten. ( siehe Foto )

 

 

Alltag im Tierheim

Beim Betreten des hinteren Bereichs (5) wurde ich von circa 20 stürmischen Hunden begrüßt, die wie wild an mir hochsprangen. Zunächst ein befremdliches Gefühl, da die meisten Hunde nicht gerade klein waren und ich bisher keinen so intensiven Hundekontakt hatte. Allerdings blieb mir nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, schließlich wollte ich Angeles so gut es ging unterstützen. Also überwand ich meine anfängliche Angst und gewöhnte mich erstaunlich schnell daran. Nach 2 Stunden war es schon vollkommen selbstverständlich von mindestens 2 Hunden fest umschlungen, angesprungen, abgeschleckt und beschnüffelt zu werden.

Ohne größere Erläuterungen starteten wir durch. Jeder nahm sich einen Zwinger vor und machte sich, ausgestattet mit Eimer, Handschuhen und entsprechenden Hilfsmitteln an die Arbeit: Haufen entfernen, Wasserbecken säubern, Wasser erneuern, Füttern. Sie können sich vorstellen, was 100 Hunde einerseits für Dreck machen und andererseits an Futter benötigen. Allein die Logistik des Mülls, der täglich entsteht und der Futterberge, die gebraucht werden, sind ein Kraftakt für sich.

 


Die Begrüßung innerhalb der Zwinger fiel in jedem Fall äußerst stürmisch aus, je nach Größe der Hunde war eine gewisse Standfestigkeit und Schmerzunempfindlichkeit (Krallen) von Vorteil. Berührungsängste völlig fehl am Platz. Der enge Körperkontakt, den immer ein paar Hunde pro Zwinger einforderten, machten das Arbeiten zum Teil wirklich schwer. Sie waren um jede Streicheleinheit und jedes freundliche Wort so dankbar. Reizende Hunde, schöne Hunde, die mein Herz im Nu eroberten.

 


Angeles und ich waren fortan volle 3 Stunden beschäftigt. Eine Arbeit, die Angeles im Normalfall alleine nach ihrem Job als Lehrerin erledigt. Jeden Tag mindestens 5 Stunden nur für die Hunde im Tierheim. In diesen 5 Stunden sind keine Notfälle, keine Fahrten zum Flughafen, keine Besorgungen, keine Tierarztbesuche und auch nicht die Versorgung der Tiere auf ihrer Finca eingerechnet. Hut ab Angeles, dafür dass du jeden Tag aufs Neue diese Kraft aufbringst und dein Leben komplett für die Tiere gibst.


Die Liebe der Hunde – die mir von einigen von Beginn an ganz offen und ungehemmt (Alba, Lia, Lolo, Nevado), von anderen wiederum erst etwas zögerlicher entgegen gebracht wurde (Luismi, Saba), entschädigte für alles. Nicht jeder kann wahrscheinlich nachvollziehen, dass dieser Tag zu den schönsten, aufregendsten und emotionalsten in meinem Leben gehört. Obwohl ich zerkratzt war, aussah, wie einmal bäuchlings über den Sandboden gerobbt und an mir nichts mehr nur annähernd hygienisch war, war ich überglücklich und erfüllt.


Notfälle

Natürlich gab es auch weniger schöne Eindrücke. Eine Situation machte mich besonders traurig. Ich musste mit ansehen, wie Leo (ein reizender Schäferhund) ständig von 2 größeren dominanten Hunden bedrängt, angebellt und angegriffen wurde. Der arme Kerl verkroch sich daraufhin in seiner Hütte und traute sich nicht mehr raus. Ich redete ihm gut zu, schaffte es sogar, ihm heimlich ein paar Leckerli zu geben und verscheuchte die Angreifer, sobald ich sie bemerkte. Leo erkannte, dass ich auf seiner Seite war und wurde mutiger. Er bewegte sich Stück für Stück in meine Richtung und verließ dabei sogar seine sichere Hütte. Es brach mir das Herz, diesen lieben Kerl zurücklassen zu müssen, mit dem Wissen, dass ihn nun keiner mehr beschützt. Aufgrund der überfüllten Zwinger kann Leo leider nicht woanders hin gesetzt werden. Eine Bisswunde hat er bereits. Ich hoffe so sehr, dass wir ihn schnell in eine Familie vermitteln können, die ihm ganz viel Liebe und Sicherheit gibt.

 


Ein anderer Notfall betraf eine Galgahündin mit 6 Welpen (1 Tag alt). Sie war in einem sehr schlechten Zustand, regelrecht apathisch und immer noch recht dick. Angeles entschied, dass die Hündin unbedingt zum Arzt muss. Eine gute Freundin von Angeles (Vicky, auch eine ihrer Pflegestellen vor Ort) erklärte sich bereit und brachte die Hündin in die 30 Minuten entfernte Klinik. Dort wurde sie sofort operiert, da sie noch 4 weitere Welpen im Bauch hatte. Leider überlegte keines der 4 Welpen die Operation.

 

 

Abschied von den Kumpels

Da es am nächsten Morgen schon sehr früh losging (Flug um 7:20 Uhr), beschlossen wir Nevado gleich mit zu Vicky zu nehmen, bei der ich über Nacht meine Bleibe fand. Um Nevado nun aber aus dem Tierheim - vorbei an den anderen Hunden - zu befördern, mussten wir ihn in einer Box verstauen und nach draußen bringen. Sehr zu unserer Freude ging er ganz freiwillig und ohne jeglichen Widerstand in diese Box (so als ob er verstand, dass das sein Ticket in ein schöneres Leben ist). Diese Box balancierten wir dann gemeinsam auf einer eigentlich viel zu kleinen Schubkarre, begleitet von kräftigen Gebell und neugierigen Hundenasen über den holprigen Boden nach außen. Unvorstellbar, wie Angeles solche Aktionen sonst alleine bewältigt.

 

 

Ich wartete nun gemeinsam mit Nevado, den Transportboxen und meinem Koffer vor dem Tierheim auf meine Abholdung. Angeles wollte gemeinsam mit mir warten, bis Vicky aus der Klinik kam. Ich schickte sie allerdings nach Hause, denn dort mussten noch unzählige Katzen und weitere Hunde versorgt werden. Was sollte schon passieren, schließlich hatte ich ja meinen großen weißen Beschützer dabei (inzwischen an der Leine, kräftig ziehend und äußerst interessiert an der neuen Umgebung). Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob mein Gefühl der Sicherheit gerechtfertigt war und Nevado potenzielle Angreifer wirklich abgewehrt hätte. Vermutlich wäre er einfach nur freudig an ihnen hochgesprungen und hätte sie zum Spielen animiert. Berichte seiner neuen Familie bestätigen diese Vermutung im Nachhinein. Nevado ist kein Wachhund!



Flug und Ankunft

Die Nacht war recht kurz und nach 2 Stunden Schlaf wurde ich 4:30 Uhr von Luisa (einer weiteren Bekannten von Angeles) abgeholt. Wir verstauten Nevado direkt im Kofferraum. Seine Box war so groß, dass sie gerade so (im nicht zusammen gebauten Zustand) in das Auto passte. Nach 1 Stunde Fahrt kamen wir rechtzeitig am Flughafen an. Nevado war komplett entspannt und genoss die Autofahrt. In der Check-in Schlange trafen wir auf Hündin Luna und ihre Pflegefamilie, bei der sie seit einem Jahr gelebt hatte. Nachdem Check-in meines leeren Koffers und Erhalt des Tickets, gingen wir gemeinsam zum Sperrgut Check-in und gaben die Boxen inklusive der Hunde auf. Natürlich flossen beim Abschied für immer ein paar Tränen, auch bei mir.


Bei Start und Landung war ich fest mit meinen Gedanken bei Nevado und Luna und überglücklich, dass beide an Bord waren und alles so gut geklappt hatte. In München wartete bereits die neue Familie der beiden. Die Freude und Erleichterung auf allen Seiten war groß, auch wenn die Romantik dieser ersten Zusammenkunft rein geruchsmäßig etwas gestört wurde. In Lunas Box war etwas nass geworden und Nevado war kein weißer Hund mehr. Ich denke, Sie wissen, was ich meine. Aber das kann ja mal passieren, wenn man so viele aufregende Dinge erlebt und bis dahin so gut wie nichts kannte.

 

So, jetzt konnte mein Arbeitstag beginnen, erschöpft, aber überglücklich.



Viola

Angeles Hundehilfe e.V. 0